In meinem
aktuellen Roman hat meine Heldin Zara als Teenager einen Verlust erlitten, der
sie als Erwachsene daran hindert, eine tiefergehende Beziehung einzugehen. Sie
steckt in ihrem Schmerz, hält daran fest und verhindert dadurch, wahre Liebe zu
erfahren. Ihr Schmerz ist wie ein Schild, der andere davon abhalten soll, ihr
zu nahe zu kommen, denn sie möchte nicht noch einmal durch die Hölle und wieder
zurück gehen.
In diesem
Zusammenhang habe ich mich gefragt, wie oft wir in unserem Alltag an alten
Verletzungen festhalten. Sie konservieren, in unserer Erinnerung lebendig
halten und uns dadurch selbst im Weg stehen, statt das Leben in vollen Zügen zu
genießen. Manchmal kann daraus im Laufe der Jahre ein Panzer werden, der uns
isoliert. Von uns und unserer Lebendigkeit.
Uns wird
täglich in hundert winzigen Verkleidungen Unrecht getan. Ich habe aufgehört zu
zählen, wie oft mir die Vorfahrt genommen oder die Parklücke gestohlen wurde.
Wie oft mein Schatz rote Boxershorts in meine weiße Wäsche schmuggelt oder
meine Wollpullover in den Trockner wirft. Wie oft mir jemand bei IKEA den Einkaufswagen mopst,
sich an der Kasse vordrängelt, oder ich schlicht und einfach unfair behandelt
werde. Ich kann deswegen an die Decke gehen, es aufblasen und eine Riesensache
daraus machen.
Ich kann aber
auch mit den Schultern zucken und es als das abtun, was es ist: eine Mücke. So
was ist lästig, ärgerlich oder einfach nur nervig – aber das ist nicht das
Leben. Denn wenn wir uns von diesen Kleinigkeiten den Tag versemmeln lassen,
verpassen wir all die kleinen Details. Die verborgenen Schönheiten, die das
Leben zu etwas Besonderem machen. Das Versprechen auf Frühling, das in der Luft
liegt, einen Song, der gerade irgendwo gespielt wird oder die beiden Greise,
die sich wie Frischverliebte ansehen und Händchen halten.
In Zeiten von
Terroranschlägen, Bombendrohungen und Politikern, die sich im Weitpinkeln
messen, ist es wichtig, aufmerksam zu sein und den Blick für das Wesentliche
nicht zu verlieren.
So ähnlich geht
es Zara. Sie ist in einer Sackgasse gelandet und sich nicht mal bewusst, dass
sie feststeckt, bis sich die Dinge für sie verschlechtern. Sie begreift erst
dann, was ihrem Leben fehlt, als sie alles verloren hat. Das ist der Moment, in
dem sie nichts mehr festhalten muss, weil es nichts gibt, das sie festhalten
kann.
Im wahren Leben
sind die Umstände selten so eindeutig oder krass. Das ist ja das Gute am
Schreiben ,-) Ich kann extreme Situationen schaffen und auf Umstände aufmerksam
machen, die jeder von uns kennt.
Es geht nicht
darum, Leid zu bagatellisieren, sondern um die Frage, ob es hilfreich ist, aus
jedem Furz einen Fackelzug zu veranstalten.
Was ist mir
wichtig und was nicht?
Wie aufmerksam
bin ich?
Worauf liegt
mein Fokus?
Ich habe die
Erfahrung gemacht, dass ein enger Blickwinkel eng macht. Denn wenn ich mich auf
die Angst konzentriere, wird mein Umfeld plötzlich beängstigend und klein. Oder
wie Mark Twain schon wusste: Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist,
sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Denn wenn aus Stärke plötzlich Härte
wird, ist irgendwas falschgelaufen.
Zara gelingt es
im Verlauf der Geschichte, sich ihre blinden Flecke anzusehen und der
Vergangenheit zu stellen. Sie lernt, sich zu öffnen und dem Schmerz
gegenüberzutreten, den sie viel zu lang mit sich herumgeschleppt hat. Mit
unterdrückten Gefühlen ist es wie mit einem Ball, den man ständig unter Wasser
hält. Früher oder später kommen sie an die Oberfläche, denn irgendwann muss man
loslassen und das ist der Moment der Wahrheit.
In diesem Sinne
wünsche ich euch eine gute Woche. Seid aufmerksam und gebt auf euch acht!
Eure Christine
(aka Jane)